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Chemnitzer Zeitung | 3. März 2017 | Seite 22
Sind Blitzer-Apps Beihilfe zum Rasen?
Die mobilen Warner werden millionenfach genutzt, sind aber für den Fahrer verboten. Der Nachweis ist schwer, aber möglich.
Von Andreas Rentsch
Geht es um Blitzer am Straßenrand, gleicht das Hochrüsten von Kontrolleuren und Kontrollierten einem Katz-und-Maus-Spiel: Auf der einen Seite setzen Polizisten und Ordnungsämter immer ausgefeiltere Technik zur Tempomessung ein, auf der anderen Seite installieren immer mehr Autofahrer Blitzer-Apps auf ihren Smartphones, um sich rechtzeitig warnen zu lassen. Doch damit riskieren sie 75 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg, wenn sie ertappt werden.
Gut möglich, dass es manch einen am 19. April trifft. An diesem Tag findet der nächste bundesweite „Blitzmarathon“ statt. Anders als 2016 werde sich in diesem Jahr auch die sächsische Polizei an der Aktion beteiligen, erklärt eine Sprecherin des Innenministeriums. Ob und in welchem Umfang Blitzerstandorte vorab bekanntgegeben werden, entscheiden die Polizeidirektionen demnach selbst.
Wer angesichts dieser Drohkulisse trotzdem seine Blitzer-App aktiviert, sollte sich zuvor noch einmal mit der Rechtslage vertraut machen. Grundsätzlich gilt, dass ein Autofahrer „kein technisches Gerät betreiben oder betriebsbereit mitführen darf, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören“, heißt es in Paragraf 23, Absatz 1b der Straßenverkehrsordnung. Auch Apps, die den Fahrer unterwegs vor einer stationären oder mobilen Geschwindigkeitskontrolle warnen, sind damit tabu.
Das Problem der Polizei liege darin, die unerlaubte Benutzung zu erkennen und dann auch nachzuweisen, sagt der Dresdner Verkehrsrechtsanwalt Christian Janeczek. „Ein Beamter darf das Gerät nur beschlagnahmen, wenn er den begründeten Verdacht hat, dass die fragliche Software darauf benutzt wird.“ Allein aus der Weigerung, das Smartphone auszuhändigen, ergebe sich noch kein Verdachtsmoment, so Janeczek.
Angesichts dieser Hürden scheint sich eine wachsende Zahl von Blitzerapp-Nutzern in Sicherheit zu wiegen, im Ernstfall schon ungeschoren davonzukommen. Doch manchmal trügt diese Hoffnung – so wie bei dem Fall, der Ende 2015 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle verhandelt worden ist. Dabei bestätigten die Richter die von der niedrigeren Instanz verhängten Sanktionen gegen einen Mercedes-Fahrer: Der Mann war auf der A39 in Niedersachsen wegen eines riskanten Manövers in eine Kontrolle der Autobahnpolizei geraten. Dabei fiel einem Beamten auf, dass auf dem Smartphone im Cockpit noch die Radarwarner-App lief. In der Gerichtsverhandlung sagte der Ordnungshüter dann als Zeuge aus.
„Generell sollte man solche Apps nie offensichtlich in Betrieb haben“, sagt Benny Streu vom Portal blitzer-sachsen.de. Er rate dazu, die Software nur im Hintergrund oder bei gesperrtem Bildschirm zu betreiben. Auf der wirklich sicheren Seite seien alle, die die Bedienung der App dem Beifahrer überließen, betont Streu. Der könne alle Infos legal an den Fahrer weitergeben.
Er persönlich kann an Blitzer-Apps nichts Verwerfliches finden, sagt der 27-Jährige. „Es wird genau das erreicht, was erreicht werden soll: dass langsam gefahren wird.“ Kritiker halten dagegen, die Software sei „Beihilfe für Raser“ und ermögliche es, sich dem Verfolgungsdruck von Polizei und Ordnungsämtern zu entziehen. Wie gut die Trefferquote von blitzer.de ist, zeigte im Oktober 2016 der Test einer TV-Ratgebersendung: Die Bezahlversion der App meldete alle festen und drei von vier mobilen Blitzern entlang der Kontrollroute.
Geblitzt wird in Deutschland schon seit 60 Jahren. Die erste derartige Geschwindigkeitskontrolle vollzogen Beamte im Januar 1957 in Düsseldorf. Heute stehen deutschlandweit über 4400 Starenkästen am Straßenrand – in Sachsen sind es rund 220. Zum Bestand an mobilen Blitzern existierten keine verlässlichen Zahlen, sagt Sebastian Knop von Eifrig Media, der Entwicklerfirma hinter blitzer.de. „Das liegt daran, dass unterschiedliche Behörden und Privatfirmen im Besitz dieser Geräte sind.“
Unstrittig ist hingegen, dass blitzer.de klarer Marktführer unter den Radar- und Blitzerwarner-Apps ist. Laut Knop hat die App über vier Millionen aktive Nutzer. Die meisten arbeiten unter Android damit.
Aktenzeichen zum App-Fall, der am OLG Celle verhandelt wurde: 2 Ss (OWi) 313/15
Bildtext: Nur wer seinem Beifahrer die Aufgabe überlässt, per App nach mobilen Geschwindigkeitskontrollen und Starenkästen zu fahnden, ist juristisch auf der sicheren Seite. Foto: Robert Michael